Die Rechte des Hundes wurden in zwei CANIS-Workshops unter Mitwirkung von Herrn
Dr. Erik Zimen erarbeitet. Zunächst beleuchtete man das Tier Hund von allen Seiten und
leitete daraus seine Bedürfnisse ab. Unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Aspekte
wurden dann die Rechte des Hundes entworfen.
Die Rechte im Überblick:
1.
Der Hund hat das Recht auf einen sachkundigen Besitzer
2.
Der Hund hat das Recht auf dauerhaften sozialen Kontakt zu Menschen und Hunden
3.
Der Hund hat das Recht mit Artgenossen zu spielen
4.
Der Hund hat das Recht auf Verlässlichkeit in den sozialen Beziehungen
5.
Der Hund hat das Recht auf artspezifische Kommunikation
6.
Der Hund hat das Recht auf körperliche Auslastung
7.
Der Hund hat das Recht auf freie Bewegung
8.
Der Hund hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
9.
Der Hund hat das Recht auf Aufgaben, die seinem Wesen entsprechen
10.
Der Hund hat das Recht durch eigene Erfahrungen zu lernen
11.
Der Hund hat das Recht sich schmutzig zu machen, zu stinken, Flöhe zu bekommen
12.
Der Hund hat das Recht auf art- und bedarfsgerechte, abwechslungsreiche Ernährung
Präambel
Der Hund stammt vom Wolf ab. Er hat wölfische Wesensmerkmale und Bedürfnisse. Aufgrund
dieser Abstammung hat er die folgenden Rechte, obwohl er ein Mitglied unserer Gesellschaft
ist. Hundehalter, Züchter und Ausbilder sind aufgerufen, sich diese Rechte stets gegenwärtig
zu halten und sich zu bemühen, die Achtung dieser Rechte zu fördern und durch fortschreitende
Maßnahmen ihre allgemeine und tatsächliche Anerkennung und Verwirklichung zu gewährleisten.
Denn das Verhalten eines jeden Hundes wird entscheidend geprägt durch seinen Menschenpartner.
Artikel 1
Der Hund hat das Recht auf einen sachkundigen Besitzer Ein sachkundiger Besitzer ist informiert
über seine wölfische Abstammung und die daraus resultierenden Folgen im Zusammenleben mit
seinem Hund. Er informiert sich ferner über Verhalten, Kommunikation und Erziehung. Zur Sach-
kunde gehört auch ein Basiswissen über Gesunderhaltung und Pflege sowie über die Konsequenzen
der Haltung von Rüde oder Hündin. Vor Anschaffung eines Hundes ist es unbedingt erforderlich, sich
über die Wesensmerkmale und insbesondere Ansprüche der jeweiligen Rasse/Rassen umfassend zu
informieren, damit geistiger und körperlicher Unterforderung des Hundes vorgebeugt wird
(vergl. dazu auch Artikel 9).
Artikel 2
Der Hund hat das Recht auf dauerhaften sozialen Kontakt zu Menschen und Hunden Dieses Recht
setzt räumliche Nähe zu den Sozialpartnern voraus. Daher ist eine Zwingerhaltung lediglich in Kombi-
nation mit einer überwiegenden Haushaltung tolerabel. Eine Anbindehaltung ist völlig unangebracht.
Anzustreben ist die Haltung von wenigstens zwei Hunden; sollte dieses nicht möglich sein, ist zu ge-
währleisten, dass der Hund regelmäßig Kontakt zu anderen Hunden hat (Hundewiese, Welpenspiel-
stunden, Spaziertreffs etc.).
Artikel 3
Der Hund hat das Recht, mit Artgenossen zu spielenIm Spiel mit anderen Hunden erwirbt der Hund
soziale Kompetenz. Er lernt die Umgangsformen seiner Art kennen (Aktions- und Reaktionsmuster im
sozialen Geschehen). Kommt es im Spiel zu Vermischungen von verschiedenen Motivationen (Jagd-,
Sexual-, Territorial, Aggressionsverhalten), muss der Besitzer regulierend in das Spiel eingreifen, um
ritualisierten Verhaltensweisen wie die permante Fixierung auf Spielobjekte vorzubeugen. Auch im
Spiel mit dem Menschen kann es zu einer derartigen Vermischung der Antriebe kommen. Häufig testen
Hunde im Spiel ihre Grenzen aus und versuchen, diese zu überschreiten. Daher muss der Mensch
Form, Anfang und Ende des Spieles bestimmen und es jederzeit kontrollieren können. Spielen mit
Hunden heißt nicht, einen Ball zu werfen und den Hund hinterherlaufen zu lassen. Spiel lebt von Ab-
wechslung im Verhalten und nicht vom Equipment. Spielen mit Hunden bedeutet, miteinander zu rangeln,
zu rennen, sich anzuschauen, sich zu verstecken, sich gegenseitig zu berühren und Spaß dabei zu haben.
Artikel 4
Der Hund hat das Recht auf Verlässlichkeit in den sozialen Beziehungen Der Hund ist keine Ware und
kein Wegwerfartikel. Für ihn ist es wichtig, lebenslang in einem stabilen sozialen Gefüge zu verbringen.
Grundsätzlich ist es daher nicht zu tolerieren, dass der Hund aus diesem Gefüge beliebig herausgerissen
wird. Der Hund braucht eine klare Position innerhalb der Familie. Diese Position wird zugewiesen durch
das Setzen von Grenzen, innerhalb derer er sich frei und sicher bewegen kann. Die Reaktionen aller
Familienmitglieder auf Grenzüberschreitungen (= unerwünschtes Verhalten) müssen immer unmittelbar
und angemessen erfolgen.
Artikel 5
Der Hund hat das Recht auf artspezifische Kommunikation Hunde kommunizieren ausschließlich nicht-
sprachlich. Sie setzen ihren Körper ein, um sich einander oder auch dem Menschen mitzuteilen. Das
Erkennen und Deuten der Körpersprache des Hundes und das Einbringen des eigenen Körpers in das
soziale Zusammenleben, dient der Kommunikation mit dem Hund. Dazu gehört das Anfassen und Streicheln
aber auch die Begrenzung des Hundes. Neben den köpersprachlichen Signalen sind das Bellen und das
Knurren artspezifische Lautäußerungen, die der Kommunikation dienen. Bellen kann zum einen Ausdruck
von Lebensfreude und Aufregung sein. Bellen und insbesondere Knurren können aber auch Warnsignale
sein zur Verteidigung des Territoriums, der Gruppenmitglieder oder seiner selbst. In diesen Fällen muss
der Besitzer gewährleisten, dass es zu keinen Beißvorfällen kommt (Briefkasten für den Postboten gefahrlos
erreichbar). Ritualisiertes Dauerkläffen ist vom Besitzer zu unterbinden. Dazu gehört es, vorausschauend zu
handeln, also auch einzukalkulieren, dass manche Menschen (z. B. Kinder) in falscher Weise auf Droh- und
Warnsignale des Hundes reagieren.
Artikel 6
Der Hund hat das Recht auf körperliche Auslastung Der Wolf ist ein ausdauernder Traber über weite
Strecken. Auch die meisten Hunde sind aufgrund ihrer Anatomie in der Lage, täglich zehn bis zwölf
Stunden zu laufen. Daher ist es unbedingt erforderlich, seinen Hund auch körperlich zu fordern.
Artikel 7
Der Hund hat das Recht auf freie Bewegung Der Hund sollte überwiegend frei, d.h. unangeleint laufen dürfen.
Nur so kann er weitgehend ungestört die überaus wichtigen Sozialkontakte zu seinen Artgenossen aufnehmen.
Außerdem ermöglicht ihm der Freilauf die Erkundung der Umwelt. Damit es immer wieder etwas Neues für den
Hund zu erforschen gibt (er hat ein Bedürfnis nach Abwechslung und Vielseitigkeit), sollten die Spaziergänge
oft in unterschiedlichen Gebieten stattfinden.
Artikel 8
Der Hund hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Alle Arten von Quälereien und Miss-
handlungen sind ohne Ausnahme unzulässig. Hunden dürfen unter keinen Umständen körperliche Defekte
angezüchtet werden (Qualzucht z. B. bei Shar-Pei, Bulldoggen, Pekinesen, Toyrassen). Bei züchterischen
Maßnahmen dürfen genetische Defekte nicht in Kauf genommen werden. Ein körperlicher oder genetischer
Defekt kann auch darin bestehen, dass Hunde nur noch eingeschränkt in der Lage sind zu kommunizieren
(extreme Faltenbildung im Gesicht). Vom Kauf solcher Hunde sollte abgesehen werden! Hunde haben ein
Recht auf tiermedizinische Hilfe bei Krankheit und Schmerzen. In aussichtslosen Situationen ist hiervon auch
das Recht umfasst, vor weiteren Leiden bewahrt zu bleiben. Der Besitzer hat in diesem Fall dafür Sorge zu
tragen, dass der Hund fachgerecht eingeschläfert wird. In die körperliche Unversehrtheit des Hundes kann
eingegriffen werden, wenn eine Kastration sinnvoll ist. Eine Kastration ist auch ohne tiermedizinische Indikation
immer dann sinnvoll, wenn ansonsten ein anderes Recht des Hundes (z. B. das Recht auf freie Bewegung
Artikel 6) erheblich eingeschränkt werden würde.
Artikel 9
Der Hund hat das Recht auf Aufgaben, die seinem Wesen entsprechen Bei Gebrauchshunden wie Jagd-,
Hüte-, Herdenschutz-, Wach- oder Schlittenhunden muss der Besitzer eine weitgehend anlagegerechte
Beschäftigung seines Hundes sicherstellen oder zumindest entsprechende Ersatzbeschäftigungen für
seinen Hund organisieren. Ist dies nicht möglich, muss von der Anschaffung eines solcherart spezialisierten
Hundes abgesehen werden. Die wesensgerechte Beschäftigung darf nicht dazu führen, dass andere Individuen
in konkrete Gefahr geraten. Dies ist aber insbesondere bei Hunden mit einer angezüchteten, gesteigerten
Aggressivität und/oder Verteidigungsbereitschaft der Fall. In dicht besiedelten Gebieten gehen die erforderlichen
Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zwangsläufig zu Lasten einer artgerechten, den Bedürfnissen entsprechenden
Haltung dieser Hunde (z. B. kann ihnen der erforderliche Freilauf nicht in ausreichendem Maße geboten werden).
Zucht und Haltung dieser Hunde stellen in Deutschland damit ein ernsthaftes Problem dar.
Artikel 10
Der Hund hat das Recht, durch eigene Erfahrungen zu lernen Nichts kann die eigenen Erfahrungen ersetzen,
die insbesondere ein junger Hund machen kann. Der Besitzer muss daher bereits seinen Welpen frühzeitig mit
möglichst vielen Umweltkonstellationen vertraut machen. Dies dient auch der Vermeidung von „Fehlprägungen“
(z.B. Jagd auf Jogger, Radfahrer, laufende Kinder). Es gilt, den Hund in seinem Lern- und Reifungsprozess zu
unterstützen und zu leiten. Ziel muss es sein, dass der Hund seine Grenzen kennt, zwischen Spiel und Ernst klar
unterscheiden und aggressives Verhalten kontrollieren kann, um sich in einer Vielzahl von Situationen ange-
messen zu verhalten und in seiner Umwelt sicher und souverän zu bewegen.
Artikel 11
Der Hund hat das Recht, sich schmutzig zu ma-chen, zu stinken und Flöhe zu bekommen
Aufgrund der wölfischen Abstammung sind bestimmte Verhaltensweisen und Bedürfnisse vorhanden:
- sich in Aas/Gülle zu wälzen
- in Schlammlöcher zu springen
- Löcher zu buddeln
- Mäuse auszugraben usw.
Derartiges Verhalten hat für den Hund einen hohen Stellenwert. Der Besitzer muss es tolerieren. Diese
Forderung entbindet den Besitzer aber nicht von seiner Verantwortung, für die Gesunderhaltung seines Hundes
zu sorgen (Impfungen, Wurmkur, Floh/Zeckenbehandlung etc.).
Artikel 12
Der Hund hat das Recht auf art- und bedarfsgerechte, abwechslungsreiche Ernährung Hunde haben ein großes
Ernährungsspektrum, dazu gehören u.a. Aas, Essensreste, Knochen, Schlachtabfälle oder Exkremente. Eine
ausschließliche Ernährung durch Hundefutter senkt die Lebensqualität eines Hundes.
Schluss
Der Hund ist ein Hund! Gleichwohl läuft er in unserer Gesellschaft Gefahr, nur noch an den menschlichen An-
sprüchen gemessen zu werden. Die vorgenannten Rechte sollen einen Beitrag dazu leisten, den Hund als Tier
mit wölfischen Bedürfnissen zu sehen, wertzuschätzen und zu lieben.
Die Teilnehmer dieses Workshops und damit die Verfasser von „Die Rechte des Hundes” sind:
Dorothea Bakir, Werner Biereth, Sieglinde Bürger, Rainer Dorenkamp, Nina Egger, Jens Eikelmann,
Monika Germann, Sabine Gerteis, Ute Heberer, Agnes Hillmer, Sonja Jürgens, Tanja Kittelmann, Christina
Landmann, Andrea Mansfield, Melanie Metz, Simone Müller, Eva Näher, Daniel Ney, Tina Oldenburg,
Peter Przybilla, Helga Schüller, Dr. Ulrike von Wardenburg, Sylvia Werner und Dr. Erik Zimen
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